Wannenbad 1
Nähert sich der Besucher, hört er bereits das entspannte Summen einer badenden Frau.
In Claudia Reichs Ton-Installation scheint die Badende die Wanne gerade verlassen zu haben. Kurz zuvor mag das Wasser noch nachgeschwappt sein, als auch der zweite Fuß herausgehoben wurde. Doch jetzt ist die Wasserfläche still. Allein der Nachhall des Waschens scheint im Raum nachzuklingen.
Ca. 60 Jahre ist es her, dass diese Geräusche ein letztes Mal zu hören waren. Claudia Reich hat das Bad dem Dornröschenschlaf entrissen und es seiner einstigen Bestimmung zugeführt.
Einzelne Fundstücke, vermeintliche Überbleibsel, Spuren der Vergangenheit – ein altes, elegantes Leder-Necessaire liegt aufgefächert bereit für die Nagelpflege, direkt daneben Halskette und Armband, welche zum Baden abgelegt wurden. Auf der Spiegelablage steht ein kleiner Lautsprecher, der heute das Badevergnügen mit passender Musik verstärken würde. Auf der verstaubten Heizung hängen die nassen Badetücher zum Trocknen. Dies alles und weitere Badutensilien liegen da auf den Ablagen – im Dreck. Im archivierten Staub der vergangenen Jahrzehnte sozusagen. Allein die blankgeputzte Innenseite der Wanne und die frischen Kosmetik-Gegenstände bilden einen eigenartigen Kontrast zum Dreck und Staub der Vergangenheit.
Ein künstlerisches Szenario, das womöglich Fragen aufwirft: War es damals üblich, seine eigene Kosmetik und Badezusätze mitzubringen? Wie lange durfte gebadet werden? Kam dabei überhaupt Gemütlichkeit auf? Hielt man sich hier auch mal mit mehreren Personen auf? Kam gar eine ganze Familie zum Badetag? Gab es dann nur eine Wannenfüllung?
Das Szenario, das Claudia Reich hier entwirft, wird es so nie gegeben haben. Das wohlige Bad-Ensemble setzt einen Kontrapunkt zu der kalten, klinischen Atmosphäre der verlassenen Wannenbäder. Es ist das Bestreben, dieser traurigen Melancholie des Vergangenen etwas Positives, Warmes und Wohliges entgegen zu setzen.
Das Bad, das die Künstlerin hier genommen hat verwandelt sich in eine Art rituelles Bad, das mit der zerstörerischen Kraft der Zeit versöhnt…
Wannenbad 2
Claudia Reich arbeitet mit Generationen. Was 2002 mit Familienportraits begann, bei denen es sich um generationsübergreifende Objekte handelt, in denen mehrere Generationen der Familie der Künstlerin in eine Form zusammengebracht wurden, weitete sich in den nächsten Jahren auf die zeitgenössischen und zukünftigen Generationen aus.
In der aktuellen Stadtbad-Installation sind es menschliche Torsi, die über- und untereinanderliegend in einem alten Wannenbad liegen – unfähig zu handeln, wehrlos oder einfach nur untätig füllen diese den Raum der Wanne fast vollständig aus. Wie erstarrte Steine haben die menschlichen Gebilde das Wasser komplett verdrängt: Das Boot ist voll, der Lebensraum ist beinahe zum Überlaufen angefüllt.